Motorola Razr i: Erstes Smartphone mit Intel-Prozessor
In der PC-Welt beherrscht Intel den Markt, im Mobil-Segment spielt der Chip-Riese hingegen keine Rolle. Bis jetzt: Das Motorola Razr i soll beweisen, dass Intel-Rechner auch Smartphones Beine machen. Ob die Rechnung aufgeht, klärt der Test von Sphone.de.

Der erste Blick auf die Ausstattungsdetails des Motorola Razr i lässt die Augenbrauen in die Höhe schnellen: Ein brandneues Smartphone für knapp 400 Euro ohne Vertrag mit einem Single-Core-Chip? Das klingt nach einem schlechten Witz! Gut, die Atom-CPU Z2480 ist mit satten 2 Gigahertz getaktet, doch bekanntlich steigt der Energieverbrauch exponentiell zur Spannung, die wiederum abhängig ist von der Auslastung des Rechners: Läuft ein Prozessor mit einem Gigahertz unter Volllast, verbraucht er daher nicht doppelt, sondern viermal so viel Energie wie unter Halblast. Dies war auch der Grund, warum sich die Taktung der mobilen Prozessoren allenfalls moderat steigerte und stattdessen eher Chips mit zwei oder vier Kernen entwickelt wurden. Denn zwei Gigahertz-Kerne mit einer Auslastung von je 50 Prozent ziehen somit immer noch halb so viel Strom wie ein Single-Core-Chip mit einem Gigahertz unter Volllast. Intel behauptet aber natürlich trotzdem, der Prozessor gehe sparsam mit der Energie um. Und in der Tat muss dem Razr i bescheinigt werden, dass es mit der aktuellen Konkurrenz mindestens mithalten kann: Bei durchschnittlicher Nutzungsintensität kommt man mit einer Akkuladung über den Tag, nicht aber über den nächsten. Und an arbeitsreichen Tagen wird es bereits gegen Nachmittag eng - da nimmt sich das Motorola Razr i im Test nichts im Vergleich zu anderen Smartphones mit ähnlich großem Display. Mal eben einen Wechselakku einsetzen, klappt jedenfalls nicht: Die 2000 Milliamperestunden fassende Kraftzelle des Razr i ist fest verbaut.
Motorola Razr i bringt solide Leistung
Das zweite Handicap der Intel-CPU scheint sich inzwischen in Luft aufgelöst zu haben: Weil an die 100 Prozent aller Smartphones weltweit mit einem Chip laufen, der auf einer ARM-Architektur basiert, sind sämtliche Apps auf selbige optimiert. Folglich benötigt das Razr i einen Emulator, welcher den Apps quasi vorgaugelt, auf einem Gerät mit ARM-CPU zu laufen. Dieser aktiviert sich bei Bedarf selbständig im Hintergrund, für den Nutzer vollkommen unsichtbar. Allerdings kam es anfangs beispielsweise bei Chrome zu Kompatibilitätsproblemen, die aber inzwischen behoben zu sein scheinen: Der Google-Browser und alle anderen Anwendungen liefen im Test schnell und stabil. Was das Tempo des Intel-Prozessors betrifft, so zeigen Test wie Geekbench, Passmark und Linpack, dass die Rechenleistung sowie die Anbindung des Arbeitsspeichers mit 1 Gigabyte gelungen sind, grafiklastige Tests wie GL Bench zwingen den Chip dann aber in die Knie. So bleibt es am Ende nach zehn der gebräuchlichsten Benchmarks bei einer Leistung, die sechs Prozent über dem aktuellen Durschnitt liegt - und dieser wurde jüngst durch die neuen Qualcomm-Prozessoren Snapdragon S4 Plus und Pro nach oben katapultiert, wie sie beispielsweise im Sony Xperia T oder Nexus 4 zum Einsatz kommen. Vom iPhone 5 ganz zu schweigen. Diesbezüglich ist das Razr i also konkurrenzfähig: Die Rechenleistung geht in Ordnung!
USB ade: Razr i über Online-Dienste synchronisieren
Auch in puncto Speicher steht der Proband ordentlich da: Von den 8 Gigabyte sind im Werkszustand noch knapp 5,1 Gigabyte frei verfügbar, die mittels Micro-SD-Karte um bis zu 32 Gigabyte erweitert werden können. GPS, NFC, WLAN n inklusive Unterstützung des 5-Gigahertz-Bandes, Downloads mit bis zu 21 Megabit pro Sekunde - alles im grünen Bereich. Zu bedenken ist jedoch, dass Motorola zu jenen Herstellern gehört, die keine PC-Software zur Synchronisierung von Terminen und Kontakten mit Outlook per USB-Kabel mehr anbieten: Kunden müssen hierfür also auf Programme von Drittanbietern zurückgreifen oder den Abgleich per Exchange, Hotmail oder Google vornehmen. Das ist ohnehin die erheblich komfortablere Lösung, läuft das alles doch vollautomatisch im Hintergrund. Kommt dann auch noch ein Drittgerät wie ein Tablet ins Spiel, ist diese Methode in jedem Fall die bessere Wahl. Sie erfordert aber - abgesehen von der etwaigen Umstellung des Mail-Verkehrs auf einen der genannten Dienste - ein WLAN oder eine dicke Daten-Option. Ohne derlei macht ein modernes Smartphone aber sowieso keinen Sinn, von daher dürfte das eigentlich für kaum einen Interessenten eine Hürde darstellen.
Display des Razr i: Auf den Nettowert kommt es an
Ganz besonders gefällt die hervorragend lesbare Mattscheibe mit rund 53 x 95 Millimetern, die eine Diagonale von knapp 4,3 Zoll (109 Millimeter) ergeben. Bei 540 x 960 Pixel kommt das Panel auf eine Pixeldichte von 103 Bildpunkte pro Quadratmillimeter (257 ppi): ein ordentlicher, aber nicht überragender Wert. Doch lassen sich aufgrund der hohen Kontraste Texte, Fotos und Video hervorragend lesen, alles prima. Motorola nennt das Razr i das "Vollbild-Smartphone", da das Display fast die gesamte Fläche des Gehäuses einnimmt. Jedoch befinden sich die drei Schaltflächen für "Zurück", "Home" und die "zuletzt genutzten Apps" nicht wie üblich unterhalb des Touchscreens, sondern wurden als Softkeys in selbigen integriert. Aus diesem Grund prangt in sämtlichen Ansichten mit Ausnahme der Video-Wiedergabe ein 6 Millimeter hoher, schwarzer Balken am unteren Bildrand: Dieser Platz geht somit für die Darstellung des eigentlichen Inhalts verloren, immerhin 7 Prozent macht das in der Fläche aus. Deshalb handelt es sich eigentlich um ein 4,1 Zoll-Display (104 Millimeter). In Anbetracht dessen steht das Razr i im ohnehin nicht gerade guten Preis-Leistungs-Verhältnis noch ein wenig schlechter dar.
Razr i im Test: Multimedialer Totalausfall
Richtig enttäuschen dann die Ergebnisse des Razr i in der Testdisziplin Multimedia: Die Fotos mit maximal 8 Megapixel sind zwar scharf und kontrastreich, allerdings ohne Ausnahme von einem starken Gelb/Orange-Stich überlagert, so als sei der Sepia-Filter aktiv (was im Test natürlich nicht der Fall war). Das verwandelt blühende Landschaften und vor Gesundheit strotzende Menschen in kränkliche Schatten ihrer selbst - das macht überhaupt keinen Spaß. Bei den Videos kommt hinzu, dass der Autofokus des Razr i im Test immer wieder völlig unnötig nachzieht und die Datenrate von 18 Megabit pro Sekunde für Full HD nicht ausreicht, weshalb Details verwaschen und Flächen deutlich sichtbare Komprimierungsartefakte aufweisen. Der Musikplayer schließlich produziert ein lautes Rauschen, das bei Pop-Songs zwar nur in den Pausen zu vernehmen ist, das Hören leiser Songs wie etwa Klassik aber gänzlich verdirbt. Die multimedialen Leistungen des Razr i sind ergo ein Totalausfall: Wer sein Mobiltelefon auch nur ab und zu für derlei zu nutzen gedenkt, sollte vom Razr i Abstand nehmen. Zumal es genügend Konkurrenten gibt, die damit keinerlei Probleme haben. Wer aber ohnehin sowieso nie Kamera und Musikplayer nutzt, sollte hingegen weiterlesen.
Jungfräuliches Android auf dem Razr i
Denn die Sternstunde des Razr i kommt jetzt: Neben der erstklassigen Verarbeitung gefällt nämlich die Bedienung ausgesprochen gut. Motorola hat die Oberfläche von Android 4.0.4 nahezu unberührt gelassen; ein Update auf Android 4.1 ist übrigens für Anfang 2013 angekündigt. Lediglich einige zusätzliche Apps und Funktionen haben die Entwickler ihrem Spross in die Wiege gelegt, die allesamt den Komfort erhöhen, aber nicht zwanghaft genutzt werden müssen. So wie beispielsweise das ab Werk auf dem Razr i installierte Uhren-Widget auf der ersten Startseite, das gleichzeitig auch Wetter und Akkustand in Prozent anzeigt. Die drei Kreise lassen sich virtuell umdrehen und fördern weitere Ansichten wie Datum und Einstellungen zutage, auch verpasste Anrufe und neue Nachrichten werden hier signalisiert. Kompakt, schick, komfortabel: Vorbildlich! Links neben diesem Home Screen haben die Amerikaner außerdem eine neue Seite mit Schnell-Einstellungen eingeführt, über die sich zum Beispiel WLAN, Bluetooth oder GPS ein- und ausschalten lassen. Leider wurden NFC und die Display-Helligkeit vergessen - und diese Seite lässt sich (zumindest derzeit) nicht individualisieren. Positiv fällt ferner die interaktive Hilfe-App "Guide Me" auf, die vor allem Einsteigern den Umgang mit Android in einzelnen Übungen näherbringt. "Tisch-Dock" vereint mit gigantischer Uhr, Wetter, Alarm, Termin-Vorschau und Musikplayer samt zeitgesteuerter Abschalt-Automatik alle "Nachttisch-Funktionen", sogar an eine Abblendung der Beleuchtung sowie an eine Sprachansage der Uhrzeit haben die Entwickler gedacht. Nicht zuletzt wären da noch die "Smart-Actions": Regeln, mit denen sich bestimmte Aktionen wie Erinnerungen, Nachrichten oder Apps aktivieren respektive GPS, Bluetooth, WLAN oder Flugmodus ein- beziehungsweise ausschalten lassen, und zwar in Abhängigkeit von gewissen Bedingungen wie Uhrzeit, Ort, WLAN-Verfügbarkeit oder Ladestand des Akkus. Nach einigen Tagen Nutzung schlägt die App sogar selbständig passende Regeln aus dem Sortiment der Standard-Aktionen vor. Das ist wirklich smart!
Fazit: Razr i nichts für Multimedia-Fans, aber sonst gut
Somit wäre das Motorola Razr i zwar nicht gerade ein Schnäppchen, aber dank gefälliger Form, solider Verarbeitung, guter Ausstattung mit allem, was man braucht, und vor allem mit einem im positiven Sinne kompakten, hervorragend lesbarem Display definitiv eine Empfehlung wert. Zumal an der Handhabung lediglich ein paar Kleinigkeiten hier und da zu beanstanden sind. Wenn da nicht der multimediale Totalausfall wäre! Der lässt jeden Interessenten Abstand vom Kauf nehmen. Und alle, die Kamera und MP3-Player ohnehin nie nutzen, sollten noch ein wenig warten bis die Preise gefallen sind: Ab unter 300 Euro ohne Vertrag stimmt dann auch das Preis-Leistungs-Verhältnis.
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