LG P880 Optimus 4X HD im Test: Vier Kerne für ein Halleluja
Noch bilden Smartphones mit Quad-Core-Prozessor die Speerspitze: Nach dem HTC One X und Samsung Galaxy S III stellt das Optimus 4X HD von LG das dritte Mobiltelefon mit Vierkern-Rechner dar. Wie sich der Bolide in der Praxis macht und was er sonst noch leistet, klärt der Test von Sphone.de.

Mehr Kerne bieten mehr Rechenleistung, das kennt man ja aus der Desktop-Welt. Von daher war es nur eine Frage der Zeit bis sich diese Entwicklung auch in der Welt der Smartphones abspielt. Derzeit befindet sich der Markt gerade am Wechselpunkt von zwei zu vier Kernen, noch sind Quad-Core-Handys allerdings selten. Das LG Optimus 4X HD ist erst das dritte Smartphone hierzulande, das mit einem Turbo-Chip ausgestattet ist. Im Gegensatz zum Samsung Galaxy S III, das mit dem hauseigenen Exynos-Prozessor bestückt ist, stammt die CPU des LG von Nvidia und hört auf den Namen Tegra 3. Also der identische Chip wie im HTC One X. Im Unterschied zum Exynos lassen sich die vier Kerne des Tegra 3 nicht einzeln regulieren, alle werden also zum Beispiel mit 1 oder 1,2 Gigahertz getaktet. Maximal verkraften sie 1,5 Gigahertz. Hinzu kommt jedoch ein fünfter Sparkern, den der Exynos vermissen lässt (respektive nicht benötigt), der immer dann zum Einsatz kommt, wenn die vier Hauptkerne ruhen. Und das ist erstaunlich häufig der Fall: Ob Browsen, Mailen oder Musik hören – stets reicht der fünfte Sparkern. Doch spätestens im Multitasking-Modus, wenn also mehrere Anwendungen parallel laufen, müssen die Hauptkerne ran.
Überforderter Akku: 4X HD schwächelt im Test schnell
Ein sinnvolles Konzept, das aber nichts desto trotz seinen Tribut fordert: Im Laufe des Nachmittags wird es an arbeitsreichen Tagen eng beim LG P880 Optimus 4X HD, dann sehnt es sich bereits nach einer Steckdose. Von Spielexzessen ganz zu schweigen: Laufen grafisch aufwändige Games auf dem 4X HD und ist die Displayhelligkeit auf Maximum justiert, verabschiedet sich die Kraftzelle schon mal nach zwei, drei Stunden. Das liegt aber teilweise auch am unterdimensionierten Akku: 2150 Milliamperestunden sind zwar viel, doch eben nur absolut, nicht in Relation zur Displaygröße. Bringt man beide Werte zusammen, kommt das LG nämlich nur auf schlappe 0,12 Milliamperestunden pro Quadratmillimeter Anzeigefläche – ein ziemlich mäßiges Ergebnis. Allerdings sieht die Lage beim Galaxy S III und One X nicht besser aus. Kurzum: Wer wirklich über den kompletten Tag kommen möchte, sollte wie bei all diesen Smartphones mit XXXL-Display die Beleuchtungsautomatik aktivieren und längere Phasen mit Spielen und GPS meiden. Oder für einen Ersatzakku sorgen respektive das Ladekabel stets mit dabei haben. Besitzer von iPhone & Co. wissen, wovon die Rede ist. Solange nicht gänzlich neue Prozessorkonzepte oder Akkutechnologien marktreif sind, wird sich an diesem Missstand wohl auch wenig ändern.
Optimus 4X HD mit Monster-Monitor
Schuld an der Misere ist aber auch der riesige Bildschirm, der mit einer Diagonale von 4,7 Zoll (119 Millimeter) einen Hauch vor dem One X und 5 Prozent hinter dem Galaxy S III liegt, in jedem Fall aber mit den zu den größten derzeit am Markt gehört. Und es dank 720 x 1280 Bildpunkten auf die stolze Schärfe von 153 Pixel pro Quadratmillimeter (314 ppi) bringt. Texte, Fotos und Video werden damit schön scharf dargestellt und sind dank IPS, das man von iPhone 4S her kennt, hervorragend lesbar, sowohl aus extremen Blickwinkeln heraus als auch im Freien. Wiederum erweist sich aber das S III als etwas schärfer und dank AMOLED auch kontrastreicher. Aber das sind Marginalien, beide Monitore sind 1a! Dennoch sollte jeder Interessent einmal im Laden Maßnehmen, denn so große Mattscheiben sind nicht für alle Finger geeignet: Von links unten nach rechts oben sind es rund 12 Zentimeter, die es bei Einhandbedienung zu überbrücken gilt: Große Hände sind da klar im Vorteil.
Schnelles Trio – vor allem für Gamer von Vorteil
Was die Rechenleistung des Optimus 4X HD betrifft, so fallen die Benchmarks höchst unterschiedlich aus, vermutlich weil nicht alle gleichermaßen intensiv und optimal auf die Kapazitäten von Prozessoren mit vier Kernen eingehen: So bescheinigt der mathematisch orientierte Linpack dem 4X HD mit 126 Punkten einen Wert in der Mitte zwischen S III und One X. Bei AndEBench hat das Galaxy die Nase leicht vorn, bei Antutu das S III und bei Geekbench 2 das 4X HD. Mit Sicherheit lässt sich also lediglich sagen, dass die Leistung des Trios zwischen 40 und 70 Prozent über dem Gros der Dual-Core-Konkurrenz liegt. Vor allem für Gamer eine gute Ausgangsposition. Zumal der interne Speicher 16 Gigabyte fasst, von denen im Werkszustand noch rund 13 Gigabyte frei verfügbar sind, und sich mittels Micro-SD-Karte um stolze 64 Gigabyte ausbauen lässt.
Datenstandards beim Optimus 4X HD
GPS, WLAN inklusive Unterstützung des Frequenzbereichs von 5 Gigahertz, Bluetooth 4.0 und HSPA für Downloads mit 21 sowie Uploads mit 5,76 Megabit pro Sekunde lassen keine Wünsche offen. Sogar NFC ist mit an Bord, auch wenn der Nahbereichsfunk zum mobilen Bezahlen derzeit noch nicht wirklich viel praktischen Nutzen hierzulande bringt; doch das dürfte sich innerhalb der typischen Handy-Nutzungszeit von zwei Jahren ändern. Eine gute Investition in die Zukunft also. Bis dahin lassen sich mit Hilfe von NFC-Tags beispielsweise Funktionen je nach Bedarf ein- und ausschalten, zwei solcher Funketiketten liegen dem 4X HD serienmäßig bei. Im Auto etwa würde man darüber WLAN deaktivieren, GPS einschalten und das Audioprofil auf "laut" ändern. Ein NFC-Tag am Nachttisch würde wohl eher sämtliche Töne, GPS & Co. deaktivieren. Für solche Zwecke gibt es natürlich Apps, doch einfach das Handy an einen NFC-Sticker zu halten ist natürlich komfortabler. Und schicker…
LG P880 Optimus 4X HD im Test: Video-Katastrophe
Die Fotos der 8-Megapixel-Kamera sind ordentlich scharf, doch nicht ganz so knackig wie die des Galaxy S III. Hinzu kommt, dass sich der Autofokus nicht wie üblich manuell aktivieren lässt indem der virtuelle Auslöser angetippt wird; stattdessen stellt die Software des LG automatisch bei Veränderungen des Motivs neu scharf. Was aber nicht immer erwünscht ist und vor allem dazu führen kann, dass just im Moment des Schnappschusses gerade neu fokussiert wird. Gelegentlich werden die Bilder daher komplett unscharf.
Das ist aber noch nichts im Vergleich zu den Videos: Die Datenrate von 12 Megabit pro Sekunde reicht nicht aus, um die Details der Clips in Full HD zu erhalten, verwaschene Zonen und Komprimierungsartefakte sind die Folge. Darüber hinaus zieht der Autofokus immer wieder nach, auch wenn dies gar nicht erforderlich ist, was zu unangenehmen Bildschüben führt. Da nutzt es wenig, wenn der Stereoton erstklassig ist. Das Update auf die Firmware-Version "LG-P880-V10d-JUL-16-2012" behebt die Probleme teilweise, aber nicht vollständig. Möglicherweise bessert LG weiter nach, zum Zeitpunkt dieses Tests aber machen die Videos des 4X HD keinen Spaß. Ganz anders als der MP3-Player: Brillante Höhen, druckvolle Bässe, ein natürliches, rundes Klangbild – damit rangiert das Optimus auf gleicher Höhe wie das iPhone 4S, und das ist immerhin die aktuelle Klangreferenz unter den Smartphones.
Plastikbomber mit solider Verarbeitung
Die Verarbeitung ist solide, wenngleich – ebenso wie beim Galaxy S III – Kunststoff vorherrscht. Der Akkudeckel ist unregelmäßig texturiert und soll wohl eine Art Leder-Optik nachahmen. Das sieht gut aus, birgt aber den Nachteil, dass der weiße Rücken schnell schmuddelig wirkt, weil sich Schmutz hervorragend in den Rillen festsetzt. Da erweist sich die glatte Rückfront des S III als pflegeleichter: wisch und weg. Mit 68 x 133 x 9,4 Millimetern ist das 4X HD nur unwesentlich kleiner, dafür aber einen Hauch dicker als das Galaxy S III und HTC One X, das Gewicht von 141 Gramm liegt etwas darüber. Subjektiv sind alle drei Boliden keine Zwerge, tragen aber etwa in der Jeanstasche nicht allzu dick auf.
Optimus 4X HD kommt mit ungewohnter LG-Oberfläche
Noch eine Parallele zu One X und S III: Auch das 4X HD kommt ab Werk mit Android 4.0. Anderthalb Jahre nach Veröffentlichung dieser Version sollte man das für selbstverständlich halten, ist es aber leider nicht. Noch immer erscheinen Neuheiten mit Android 2.3, wenngleich zunehmend weniger. Über Googles Betriebssystem hat LG seine Oberfläche "Optimus UI 3.0" gelegt, die sieben Home Screens für Widgets und Verknüpfungen bietet, durch das Menü wird seitenweise horizontal geblättert. Allerdings hat LG die Oberfläche im Vergleich zu den Versionen unter Android 2.3 deutlich abgespeckt: Die LG-typischen "Kategorien", die das Menü in individualisierbare Rubriken unterteilen, sind leider verschwunden.
Im Gegenzug finden sich etliche nützliche Tools unter den vorinstallierten Apps, so wie die Polaris-Office-Suite oder der „Remote Call Service“, mit dessen Hilfe sich Mitarbeiter von LG zwecks Ferndiagnose ins Smartphone einwählen können, wie man es vom PC her kennt. "Smart Share" verwaltet WLAN-Verbindungen mit anderen Multimedia-Geräten, die ebenfalls den Standard DLNA unterstützen müssen. Und mit "Backup" lassen sich Anrufprotokolle, Apps, Kalender, Kontakte, Lesezeichen, SMS, Startbildschirme sowie Einstellungen manuell oder automatisch nach einem definierten Zeitplan sichern und notfalls wiederherstellen.
Fazit: Bestes Smartphone von LG, doch die Konkurrenz ist weiter
Das Optimus 4X HD ist zweifellos das beste Smartphone, das LG je gebaut hat. Und eines von nur drei Quad-Core-Handys hierzulande. Doch im Vergleich zum HTC One X zieht das 4X HD in der Abteilung Multimedia den Kürzeren, das Samsung Galaxy S III ist zudem noch besser ausgestattet und bietet vor allem weitaus mehr Komfortfunktionen. Doch die Koreaner haben noch ein Ass im Ärmel: Mit derzeit 420 Euro ohne Vertrag ist das 4X HD 60 Euro günstiger als das One X und 100 Euro im Vergleich zum Galaxy S III mit 16 Gigabyte Speicher. Wer also ein Vierkern-Handy möchte, doch aufs Geld achten muss, wäre derzeit mit dem Optimus 4X HD am besten beraten, muss aber ein paar kleine Kompromisse eingehen.
Smartphone-Testberichte als Video

Unsere aktuellen Smartphones-Tests als Video finden Sie in unserem Youtube-Kanal - gleich abonnieren und stets auf dem laufenden bleiben.